Abendmahl der FEG Bern
Aus den Anfängen der FEG Bern ist über die Abendmahlsformen wenig bekannt. In den Aufzeichnungen der Herren von Rodt und Iselin wird kein Wort darüber verloren. Das ist eigentlich erstaunlich, da gerade die Feier des Abendmahles in der evangelischen Landeskirche um die Jahre 1825 bis 1829 den Anstoss für den Wechsel in die Eglise de Berne von Carl de Rodt gegeben hatten:
1875 wird A. Bovet Pfarrer der französischen Gemeinde. Herr Iselin wird 1877 nach Basel berufen und an seine Stelle wird Herr Lindenmeyer als Pfarrer der deutschsprechenden Gemeinde gewählt. Ab 1877 sind Protokolle der Diakonie, der Brüder- und Mitgliederversammlungen vorhanden.
Lindenmeyer führte nach und nach eine strengere Gemeindeordnung ein. Bis 1882 konnten alle, Mitglieder und zufällig Anwesende, das Abendmahl einnehmen. Ab 1882 durften nur noch Mitglieder und eingeschriebene Gäste das Abendmahl einnehmen. Nach Lindenmeyer ist eine christliche Gemeinde ohne Gemeindezucht aus biblischer Vorschrift ein Ding der Unmöglichkeit. Die Gemeindezucht bestand in Ermahnung und wenn diese nichts fruchtete, in der Zurückstellung vom Abendmahl und danach dem Ausschluss aus der Gemeinde. Ein Gast wurde nur zugelassen, wenn er sich bereit erklärte, wie die Mitglieder, sich der Gemeindezucht zu unterstellen. Gast konnte man nur durch Empfehlung eines Mitgliedes werden. Das Abendmahl wurde immer am 3. Sonntag des Monats am Nachmittag, also abgetrennt vom Morgengottesdienst, gefeiert. Im Gegensatz zur „wandelnden“ Praxis in der Landeskirche wurde und wird bis heute die „sitzende“ Form bevorzugt, das heisst Brot und Becher werden durch die Reihen gegeben.
Nur die Brüder der Diakonie und die Ältesten teilen das Abendmahl aus. Beim Abendmahlsgottesdienst gibt es eine Männer- und eine Frauenseite. Vor jeder Mitgliederversammlung, die meistens am Nachmittag um 16 Uhr stattfanden, wird zuerst das Abendmahl ausgegeben.
Im Protokoll der Diakonie (Heute Gemeindeleitung) steht am 10. September 1918 der Eintrag: „Der für das Abendmahl verwendete Wein steigt im Preis von Fr. 1.20 auf Fr. 1.35 pro Flasche.“ Und die Bemerkung: „Wir ziehen es vor diesen Aufpreis zu bezahlen, als einen geringeren Wein zu wollen.“ Bereits 1919 wird ein Vorstoss unternommen zur Einführung von Einzelkelchen. Der Antrag wurde mit der Begründung: „Man wolle zuwarten und schauen was anderwärts für Erfahrungen gemacht werden“ abgelehnt. Dagegen sollen 2 Brotteller angeschafft werden. Bruder Winzeler anerbietet sich diese zu stiften. Erst 1926 findet sich wieder ein Eintrag in den Protokollen: Es wird bemerkt, dass unangemeldete Gäste am Abendmahl teilnehmen. Bruder Dorsch soll kundtun, dass nur Glieder und angemeldete Gäste zum Mahl eingeladen werden. Ein Jahr später wird von einem Zwist zwischen Prediger Dorsch und einer Frau berichtet. Die Diakonie verbietet Prediger Dorsch das Abendmahl auszugeben, bis der Zwist beigelegt ist.
1928 beschliesst die Diakonie Bruder Kurz einen Abendmahlskelch zur Abendmahlserteilung bei Kranken anzuschaffen.
1932 erhält der Vorstand die schriftliche Mitteilung, dass sich eine Differenz zwischen einer Schwester und der Tochter des Predigers ergeben habe. Die Schwester beklagte sich, dass diese eine unversöhnliche Haltung einnehme, welcher Umstand ihr den Besuch des Abendmahlsgottesdienstes unmöglich mache. Sollte eine Beilegung nicht möglich sein, müsste sie aus der Gemeinde austreten, was ihr leid täte. Ob die Differenz bereinigt werden konnte geht aus den weiteren Protokollen nicht hervor.
Im November 1951 fragt ein Bruder, ob man nicht alkoholfreien Wein zum Abendmahl verwenden könnte. Nach reger Diskussion meint man bei der bisherigen Art verbleiben zu wollen.
Wegen der 600-Jahrfeier des Kantons, wird am 7.05.1953 die Abendmahlsfeier erstmals mit dem Morgengottesdienst zusammengelegt. Im August 1955 wird wieder auf die Einzelkelche als Variante hingewiesen. Von einer Änderung wird aber abgesehen. Kelche sollten aber am Ende der Reihe mit einem Tuch abgewischt werden. Ein Bruder weist aber darauf hin, dass der Wein besser desinfiziere, als diese Tüchlein!
Langsam kommt Bewegung in die starre Haltung, den Abendmahlsgottesdienst an einem Sonntagnachmittag abzuhalten. Ab 1956 gibt es immer wieder Vorstösse die Feier doch auf den Morgen zu verlegen. Verschiedene Geschwister regen an, diese zeitweise auf den Vormittag zu verlegen, da viele am zweimaligen Erscheinen verhindert seien. Es werden auch familiäre Gründe geltend gemacht. Man solle doch prüfen, ob dies während des Sommers möglich sei. Pfarrer Maurer nimmt Stellung und meint: “Der Umstand, dass wir keine eigene Kapelle besitzen, steht der Abendmahlsversammlung am Vormittag der knappen Zeit wegen etwas entgegen. Kaum ist Zeit zur Bekanntgabe der oft vielen Gemeindemitteilungen. Der Begrüssung neuer Mitglieder, für die Predigt und dann noch das Abendmahl! Zudem ist die Gemeinde nicht unter sich und oft gerät man in Gewissensnöte und zur Gewissensfrage, ob auch alle, die zur Feier des Mahls zurückbleiben, sich des Ernstes der Feier bewusst sind. Die Verlegung des Abendmahls auf einen anderen Zeitpunkt als den althergebrachten, muss behutsam geprüft werden.“
Obwohl Pfarrer Maurer und einige Brüder befürchten, dass der Gemeinde eine Segnungsmöglichkeit entzogen werden würde und dem Pfarrer die entsprechende Aufgabe erschweren und reine Zusammenkünfte von Gliedern und Gästen fast unmöglich machen. Bei welcher Gelegenheit erfreuliche und ermahnende Aufgaben in Ruhe vollzogen werden könnten. Wird der Anregung, die Abendmahlsfeiern in den Monaten Juni bis August auf den Morgen zu verlegen, entsprochen und vorläufig der Mai auch in diese Regelung einbezogen. Um einen flüssigen Verlauf zur Ausgabe des Mahls zu gewähren werden sich in Zukunft die Diakoniebrüder während des Gemeindegesanges zum Abendmahlstisch begeben.
An der Diakoniesitzung vom 8. November 1958 wird auf Anregung des Zweigverbandes vom Blauen Kreuz beschlossen in Zukunft alkoholfreien Wein (Traubensaft) beim Abendmahl abzugeben.
1960 beschliesst die Diakonie die Abendmahlsfeier jeweils am 3. Sonntag im Monat während der Monate April bis August um 9 Uhr und in den Monaten September bis März um 14.45 Uhr abzuhalten. Nach drängen einiger Mitglieder wird 1962 das Problem der Mitgliederversammlung vorgelegt. Diese bestimmt, dass das Abendmahl jeden 3. Sonntag im Monat nach dem Morgengottesdienst um 9 Uhr abgehalten werden soll. Aber auch jeden Dienstag nach dem 1. Sonntag um 15 und 20 Uhr und immer vor den Mitglieder-versammlungen. Mit diesem Beschluss gehört auch das Dreiklassensystem der Abendmahlsfeier: Mitglieder, eingeschriebene Gäste, und nicht zugelassene Besucher – der Vergangeneinheit an.
Heute wird das Abendmahl, in der Regel, am 1. Sonntag und wenn möglich am Dienstag nach dem 1. Sonntag in der Bibelstunde um 15 Uhr verteilt.
Nach 74 Jahren kommt ein weiterer Durchbruch: seit 1994 kann im Bovetsaal der Traubensaft in Einzelkelchen ausgeschenkt werden. Auf den 2 Kelchen, die in der Kapelle durch die Reihen zirkulieren, steht auf dem Einen „ Ihr seyd theuer erkauft“ und auf dem Anderen: „Bis dass ER kommt“. Warum nicht einmal beim Trinken auch diese Sinnsprüche lesen?
Die Vogelgrippe machte es dann möglich, dass heute nur noch Einzelkelche ausgeteilt werden.
Hans-Ueli Moser
Quellen: Protokolle der Diakonie aus den Jahren 1882 bis 1965